Händigkeit, was ist das?

Händigkeit ist angeboren. Sie zeigt sich nicht nur im Schreiben. Da die Bewegung einer Hand von einer Hirnseite gesteuert wird, ist der bevorzugte Gebrauch dieser Hand das sichtbare Zeichen für die Dominanz einer Seite, die unterschiedlich ausgeprägt sein kann. Gleichzeitig werden bestimmte Denk- und Verhaltensweisen bevorzugt, die wohl von derselben Hemisphäre gesteuert werden. Dafür liegen keine wissenschaftlich gesicherten Belege vor, weil die zugänglichen Quellen in den meisten Untersuchungen Händigkeit entweder nicht berücksichtigen und/oder nicht wissenschaftlich überprüfen. Dabei bestätigt die klinische Beobachtung die These und der geneigte Leser mag die Gültigkeit an sich selbst überprüfen.

Wie steht es mit Ihnen? Schreiben Sie mit rechts? Sind Sie deshalb Rechtshänder? Der spontan bevorzugte Gebrauch der rechten Hand für fast alles lässt einen als Rechtshänder erscheinen. Jemand, der rechts schreibt, das Messer aber lieber links führt, ebenso wie den Besen und den Tennisschläger, ist wahrscheinlich ein umgeschulter Linkshänder. Die stark dominanten Linkshänder schreiben links, werden aber z.B. von Handkreissägen zum Gebrauch der Rechten gezwungen, wenn sie nicht viel Staub schlucken wollen.

Fühlen Sie sich manchmal verkehrt wenn es um den Gebrauch von Werkzeugen oder Messer und Gabel geht? Rebelliert etwas in Ihnen, wenn jemand von „typisch Mann“ oder „typisch Frau“ redet? Sie sind zwar eine Frau, oder ein Mann, die unter „typisch“ gängigen Eigenschaften passen aber so gar nicht zu ihnen? Manche Frauen  wollten als Mädchen immer schon auf Bäume klettern, manche Männer haben keine Lust auf Karriere sondern kümmern sich lieber um den Haushalt und die Kinder.

Naja, Gottseidank leben wir im Zeitalter der Gleichberechtigung!? Irgendwas Typisches gibt es bestimmt, aber was? Gleich wollen wir genaugenommen nämlich auch nicht sein. Na, also was denn dann?

Unsere heutige Welt ist von rechtshändigen (Männern) für Rechtshänder eingerichtet. Der Reißverschluss der Herrenhose ist bequem für RH. Damen müssen ihre Hosen und Blusen zur klaren Unterscheidung von links schließen, obwohl sie auch Rechtshänder sein sollten. Seit der Einführung von Unisex-Jeans und Second-Hand-Shops, wo Frauen auch „Männerkleidung“ erstehen und tragen können, verwischen sich die Grenzen zum Glück wieder etwas.

Im Zuge der allgemeinen Normierung wurden Ausnahmen weitgehend abgeschafft. So wie es für Rechtshänder am besten geht, ist es „richtig“. Das Linke ist linkisch und falsch. Diese Diskriminierung geht in vorchristliche Zeiten zurück. In manchen Kulturen wie dem Islam ist die linke Hand die schlechte, schmutzige, teuflische. Im Judentum ist links weiblich, negativ. Linkshändigkeit steht historisch für falsch und muss bekämpft werden. Wobei für den Betrachter links erscheint, was auf einem Bild an der rechten Seite sitzt. Linkshänder sind  es deshalb gewöhnt, sich anzupassen, freiwillig oder gezwungenermaßen. Viele wissen gar nicht mehr, warum sie sich oft verkehrt fühlen, denn die Anpassung geschieht schon im Kleinkindalter. Dadurch bleibt sie oft unbewusst und der Auslöser für die vielfältigen Folgen unerkannt.  Heutzutage wäre es dagegen wichtig, Akzeptanz zu üben, und ein Bewusstsein zu schaffen. Wir brauchen beides und die LH werden durch die Diskriminierung ernsthaften Gefahren ausgesetzt, siehe Kreissäge.

Werfen wir einen Blick unter die Schädeldecke, so sehen wir, dass bei beiden Geschlechtern 2 Hirnhälften vorhanden sind. In den 1960ern hat R. Sperry nachgewiesen, dass ohne Kontrolle und Kommunikation zwischen beiden über die sogenannte Brücke jede was anderes macht. Eine knöpft die Bluse auf, die andere versucht gleichzeitig das Gegenteil. Es muss also eine Dominanz geben. Die Eine kontrolliert, dass wir aufrecht stehen, die Andere, dass wir gleichzeitig einen Schritt tun. Für den nächsten Schritt müssen sie sogar die Aufgaben wechseln. Die Gehende wird zur Haltenden, die Andere lässt gehen. Dabei ist die Dominanz, also welche bestimmt, von Geburt an festgelegt. Das kann auch durch Training nicht vollständig umgepolt werden. Will ich mit der anderen anfangen, ist die Dominante immer im Hintergrund zuerst aktiv, hemmt den eigenen Schritt und aktiviert dann die zweite zum Schritt. Die Überlastung ist vorprogrammiert und führt nicht selten zu ADHS, burn-out, Depression und anderen schweren Beeinträchtigungen.

Wie mit den Schritten ist es mit dem Denken und Verhalten. Wenn ein Denk- oder Verhaltensmuster nicht zum Erfolg führt, wechsle ich die Hirnhälfte, da liegt noch ein anderes parat. Erst danach muss ich etwas Neues erfinden. Wie genau der Wechsel vor sich geht im Bezug auf Dominanzen und Verhalten ist mit bildgebenden Verfahren noch nicht genau untersucht. Wir können uns solange auf die eigene Beobachtung verlassen. Die hilft ihnen auch herauszufinden, wer sie sind.